Interview mit Thomas Böhm im Literaturhaus Köln                                      

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 Einblicke

Gespräch zwischen Annemarie Schnitt und Thomas Böhm während der Lesung am 26.9.2005 im Literaturhaus Köln

Vorwort

Dank einer wohltuenden Atmosphäre bei der Lesung von Annemarie Schnitt im Literaturhaus Köln, dank der gezielten und trotzdem lockeren Gesprächsführung des Programmleiters Thomas Böhm und durch die offene Art, wie Annemarie Schnitt auf die gestellten Fragen einging, gewannen wir als Zuhörende die Möglichkeit, einen tiefen Einblick in das Leben der Lyrikerin zu gewinnen.

Im 1. Gespräch sagte Thomas Böhm:

„Man ahnt, wenn man das Geburtsdatum und den Geburtsort von Annemarie Schnitt liest, dass dort eine einzigartige Lebensgeschichte ihren Ausgangspunkt nimmt.“

Das Ahnen ist uns zur Gewissheit geworden.

Die Gespräche, die nur in akustischer Form vorlagen, haben wir in Text umgewandelt, um ohne technischen Aufwand die Gespräche jeder Zeit neu erfahren zu können. Ohne den Sinn zu verändern, wurde der Text in Nuancen korrigiert.

Berni und Peter Patten 29. Dezember 2005

Thomas Böhm (T.B.)
Sie haben es gehört: In Gedichten kommt es zu einer Verschmelzung von Denkbarem und Fühlbarem. Doch nicht nur in Gedichten, auch in Lesungen ist diese Verbindung möglich, wie Sie heute erleben werden.

Um Sie in die Gedanken und Gefühle, die die Texte unseres heutigen Gastes auslösen, einzustimmen und frei eintreten zu lassen, begann der Abend mit einem irischen Lied und dann mit drei Gedichten. Es ist mir jetzt eine Freude, den beiden Künstlerinnen Annemarie Schnitt und Conny Schnitt für ihre erste Darbietung zu dan- ken. Herzlich willkommen im Literaturhaus Köln.

Ich glaube, der 3. Satz, den Conny Schnitt und ich gewechselt haben, war, Conny Schnitt legt Wert auf die Feststellung, dass sie keine Profi-Musikerin ist;  und wir legen Wert auf die Feststellung, dass man d a s nicht hört.

Fühlbares und Denkbares verbinden sich auch in der Entstehungsgeschichte der heutigen Lesung; darüber werden wir aber später noch reden. Der heutige Abend stellt insofern eine Besonderheit dar, dass die meisten von Ihnen bis zum Erhalt der Einladung die Gedichte von Annemarie Schnitt nicht kannten. Das verbindet Sie, meine Damen und Herren, und uns, die Mitarbeiter des Literaturhauses.

Man ahnt, wenn man das Geburtsdatum und den Geburtsort von Annemarie Schnitt liest, dass dort eine einzigartige Lebensgeschichte ihren Ausgangspunkt nimmt. Geboren wurde Annemarie Schnitt 1925 in Tunkun in Südchina. Darf man Sie fragen, wie es zu diesem Geburtsort gekommen ist?

Annemarie Schnitt (A.S.) 
Ja, wenn die Eltern im Missionsdienst sind und der Vater ein Lepra- Asyl im südlichen China 
leitet, dann werden die Kinder dort geboren. Wir sind 4 Geschwister, ich bin die Älteste und bis zur Einschulung im 6. Lebensjahr in China gewesen.

T.B.
Als wir uns kennen gelernt haben, sagten Sie, Sie hätten sogar fließend chinesisch gesprochen.

A.S.
Ja, wir haben chinesisch gesprochen, weil wir chinesische Spielgefährten hatten. Mit den Eltern sprachen wir natürlich auch Deutsch, so dass wir eigentlich zweisprachig aufgewachsen sind. Im ersten Schuljahr auf der deutschen Schule hatte ich meine Mühe, die Antworten so schnell in Deutsch zu geben, wie ich sie in Chinesisch bringen konnte. Ich erhielt jedes Mal aus der tiefen Tasche meines alten Lehrers ein Bonbon, wenn mir eine deutsche Antwort geglückt war.

T.B.
Na ja, dann sind Sie zwar zu deutschem Bonbon-Segen gekommen - ich kann mir aber vorstellen, das war nicht ganz freiwillig. Wie kamen Sie denn als 6jährige von Tunkun nach Deutschland?

A.S.
Die Eltern bekamen alle 7 Jahre Urlaub, (für 1 – 2 Jahre) und nach den Jahren haben dann die meisten Eltern ihre Kinder in einem deutschen Missions-"Internat" zurückgelassen.. Da waren sehr viele Kinder aus allen Ländern (Afrika, Indonesien,China und Neuguinea) die sich da getroffen haben zu einer großen Missions-Kinderschar.

T.B.
Wo war das?

A.S.
in Düsseldorf- Kaiserswerth

T.B.
Und die haben dann alle untereinander Deutsch

gesprochen?

A.S.
Das natürlich.

T.B.
Wenn man in China aufwächst, erlebt man eine ganz andere Kultur, eine ganz andere Geschichte
– und was für Kinder wichtig ist, ganz andere Märchen. Was war denn, als Sie 6 Jahre alt waren, die Sprache Ihrer Phantasie, in welcher Sprache haben Sie geträumt?

A.S.
In den frühen Jahren sicher in chinesisch. Das ist einfach so gewesen.

Die Eltern lasen uns deutsche Märchen vor, das weiß ich noch, und diese Märchengestalten lebten alle für mich in Deutschland, das war Deutschland. Da lebte Dornröschen, da lebte der Wolf, da lebte Rotkäppchen, alle diese Gestalten und - die Großeltern lebten dort. Deutschland war für mich   das Land der Großeltern und der Märchen.

T.B.
Das klingt ja zumindest so, als wären Sie sehr gerne dann hier geblieben, aber das war ja mit einer Trennung verbunden.

A.S.
Das war eine sehr schmerzhafte Trennung, die die Eltern wahrscheinlich als noch sehr viel schlimmer empfunden haben als wir Kinder. Wir haben uns als Kinder sehr schnell an diese Umgebung gewöhnt, aber ich denke, irgendwo hatten wir natürlich nicht den Boden unter den Füßen, den Kinder haben, die in normalen Familien aufwachsen. 

T.B.
Warum sind Sie denn eigentlich in Deutschland geblieben? Wollten die Eltern, dass Sie hier in Deutschland aufwachsen?

A.S.
Ja, dass wir hier die Schule besuchen und vor allen Dingen: ich hatte wiederholt Malaria-Anfälle, sodass ein Missionsarzt meinen Eltern dazu riet.  Die Mutter hätte uns als Lehrerin selbst unterrichten können, aber dann haben sie uns schweren Herzens  in Deutschland gelassen - zu zweit - und den jüngsten
 
2-jährigen Bruder wieder mitgenommen.

T.B.
Dass heißt, Sie waren seit 1931 oder 1932 in Deutschland?

A.S.
Ja, 1932 sind die Eltern wieder nach China aufgebrochen

T.B.
Wie lange haben Sie dann Ihre Eltern nicht gesehen?

A.S.
16 Jahre. Da kam dann der Weltkrieg dazwischen, die eine Rückreise zwischendurch nicht möglich machte! d
ie Eltern wollten 1940 zu meiner Konfirmation wiederkommen, aber das funktionierte dann nicht, und verschob sich  um viele Jahre.

T.B.
Haben Sie denn Kontakt zu den Eltern gehabt?

A.S.
Zunächst sehr regen Briefwechsel bis zum Krieg, und dann gab es nur noch ab und zu  25 Worte- Rote- Kreuz-Briefe, die ganzen Kriegsjahre über war also kaum Verbindung.

T.B.
Das heißt, dass Sie eigentlich schon als Kind angefangen haben Ihre Emotionen und den emotionalen Kontakt
zu Ihren Eltern im Schreiben zu suchen. Das ist doch sicherlich eine Prägung im Umgang mit Sprache, die sich durch Ihr ganzes Leben gezogen hat. Sehen Sie darin eine Wurzel, dass Sie das Schreiben Ihr Leben
lang nicht mehr aufgegeben haben?

A.S.
Mit Sicherheit ja. Dieses Briefeschreiben, jede Woche einen Sonntagsbrief nach China, das hat ganz entschieden unser Leben mit geprägt, und dass wir lernten, uns auszudrücken und zu schreiben, was
wir erlebten und dachten , das war schon eine ganz wichtige Komponente.

T.B.
Und 25 Worte Rote-Kreuz- Briefe, das fordert ja gerade zum Gedicht schreiben schon heraus.

A.S.
Ja, durch das Kurzfassen in diesen Jahren, in wenigen Zeilen Wichtiges auszudrücken, ist ein Grundstein zum Schreiben gelegt worden. Nachher in der Pubertät  stieß  ich auf erste Gedichte von Rilke , von Hölderlin und anderen und entwickelte eine große Liebe zu  dieser Gattung Literatur  und entdeckte
 darin einen "bewohnbaren" Raum für mich. in dem ich selbst holperig anfing,  Gedichte zu schreiben, erste Versuche, die ich lange Zeit versteckt hielt, bis ich dann erst sehr viel später zum richtigen Schreiben gekommen bin.

T.B.
Ich muss Ihnen eine äußerst unliterarische Frage stellen: Was war das denn für ein Gefühl, als Sie Ihre Eltern nach 16 Jahren wiedergesehen haben? Nach 16 Jahren waren es doch fast Fremde!

A.S.
Ja, was war das für ein Gefühl?  Wir haben uns in Frankfurt am Flughafen wiedergesehen, extra nicht bei Verwandten. Als sie mit ihrem Flugzeug ankamen, hatten wir im Hotel ein Zimmer gebucht, und warteten zitternd darauf, dass wir von unten den Anruf kriegten, dass die Eltern ins Haus kamen. Das passierte dann auch, es 
war schon eine ergreifende Szene, als meine Eltern die Treppe heraufkamen, mein Vater, sich am Hut vor der Brust festhaltend und meine Mutter versteckte sich hinter ihm.

T.B.
Man merkt, dass Sie das Gespür für das literarische Bild haben, dass Sie diese Situation, den Vater (mit dieser Geste, den Hut vor der Brust) wunderbar charakterisieren.
Sie waren gestern schon im Literaturhaus und ich habe das wunderbare Amulett, was das Publikum jetzt nicht sehen kann, an Ihnen gesehen. Was stellt dieses chinesische Schriftzeichen, denn dar?

A.S.
Das ist ein doppeltes Freudenzeichen: "Sueng- he i",  "He i"  heißt  Freude, und "sueng" ist das Doppelte: Die doppelte Freude! Das ist eigentlivch  ein chinesisches Hochzeitszeichen!, das ich seit meiner 
Hochzeit trage und das mir unentbehrlich geworden ist. Jeden Morgen ist es mir das Wichtigste, dieses umzuhängen. Und damit gehe ich jetzt wirklich seit  vielen Jahren durch die Welt; mit diesem sueng-hei Zeichen.

T.B.
Dann würde ich Sie und Ihre Tochter darum bitten, uns die doppelte Freude zu machen, weiter zu lesen und zu musizieren.

T.B.
Wir befinden uns auf einem Gang durch das Jahr in Gedichten. Und bei diesem Gang gibt es eine Vielfalt von Gesprächsmöglichkeiten; es ist immer schwer, die Vielfalt der Themen eines Autors einem Nenner zuzuordnen. Aber ich glaube, dass man aus der doppelten Freude eine doppelt doppelte Freude machen kann, Ihre Texte auf einen vierfachen Nenner zu bringen. Sie staunen zu- recht, aber ich werde versuchen, Ihnen die 4 Eckpunkte aufzuzeigen, die ich in Ihrem Schreiben erkennen kann. Wir haben gerade in dem Gedicht „Rosenzeit“ das Wort „Feier“ gehört. Immer wieder schreiben Sie vom Sieg des Lebens, gleich werden wir ein Gedicht zum „Erntedank“ hören. Das alles verbindet sich für mich mit dem Eindruck, dass Ihre Gedichte alle einen gebet-artigen Charakter haben, in dem Sinne, dass es Dank- Gebete, Bitt-Gebete sein könnten. Welche Rolle spielt für Sie das Religiöse, Spirituelle bei Ihrem Schreiben?

A.S.
Ich denke, das spielt eine sehr wichtige Rolle für mich. Darin gipfeln eigentlich alle Aussagen, alles Empfinden, das ist für mich tragend.

T.B.
Würden Sie sagen, das ist der Hauptgrund aus dem Sie schreiben?

A.S.
Der Hauptgrund?  Ich weiß es nicht, Gedichte sind für mich einfach - wie habe ich das eben gesagt- ein bewohnbarer Raum. Darin wohne ich ein Stück. Dadurch, dass ich als Kind nie so feste Wurzeln gehabt habe, hat sich mir eine ganz andere Welt erschlossen, dazu gehört das Religiöse in ganz starkem Maße, weil wir so auch erzogen worden sind, und was mir davon geblieben ist, mündet auch statk 
in die Gedichte ein, denke ich.

T.B.
Genau das ist jetzt auch mein 2. Eckpunkt. Sie sagen, was mir geblieben ist. In einem Gedicht ist davon die Rede , dass der Sommer gebannt wird, oder dass der Sommer gespeichert wird. Ihre Gedicht sind in diesem Sinne auch Speicher. Was speichern Sie darin?

A.S.

Das ganze Leben, alles was einem wichtig geworden ist, verdichtet sich darin, kommt darin zum Ausdruck. Das ist für mich selber ein Erlebnis, dass Gedichte immer kürzer geworden sind.Die Dinge noch auf den Punkt zu bringen sind einfach Höhepunkte für mich..   Gedanken, die mich morgens aus dem Bett treiben und die ich dann formuliere oder einfach so stehen lasse als ersten Einfall. Aber manchmal arbeite ich den ganzen Tag daran, einfach so, wie es sich ergibt.

T.B.
An einem Gedicht?

A.S.
Schon mal, dass ich immer wieder etwas ändere oder verändere, doch  manchmal hat es auch sofort so seine Form und es bleibt so stehen.

T.B.
Das ist das Zweite. Die dritte Dimension, die ich auch aus dem Gedicht „Sommertag“ ableite, wo am Ende des Gedichtes „Tauben Flügel wachsen....“ Die Taube ist ja ein Symbol des Friedens. Verstehen Sie Ihre Gedichte in diesem Sinne vielleicht als kleines, privates, literarisches, politisches Engagement?

A.S.
Ja, den Menschen sozusagen wachrütteln zu wollen, wäre der falsche Ausdruck, aber ich möchte  auf Missstände aufmerksam 
machen. Ich möchte dabei sein, möchte mittendrin stehen und auch die Probleme mit auffangen, die Probleme der Zeit.

Bei Taubenflügeln denke ich an die Arche Noah, an die Taube, die dann mit dem Ölblatt zurückfliegt. Das ist für mich der Gedanke, dass durch unsere Anstrengungen, durch unsere Mühen vielleicht doch noch etwas an dem geändert werden kann, was so negativ aussieht, was so schlimm aussieht in dieser Welt. Da ist für mich das Religiöse auch eine ganz wichtige Sache, weil ich daraus Kraft schöpfe, weil da Potenzial drin liegt und auch Engagement, was Zukunft hat.

T.B.
Das ist sozusagen verbunden mit der zweiten Dimension des Speicherns. Halten Sie den Menschen auch das Lebenswerk, das Tolle, die Höhepunkte des Lebens entgegen? Das hat auch etwas Politisches; zu 
zeigen, welchen Wert das Leben hat.

A.S. Ja.

T.B.
Und jetzt noch die 4. Dimension. Wenn man
so wie Sie persönliche Gedichte schreibt, Gedichte, die den Lebenslauf, den Jahresablauf begleiten, verfolgen, sozusagen in der Natur sind, sich mit der Natur auseinandersetzen, durchdrungen sind von
der Natur, wie in so vielen Gedichten, dann wird das Schreiben doch eine Vergewisserung des Lebens. Ich kann mir vorstellen, in schwierigen Situationen, über die wir eingangs gesprochen haben, ist Schreiben auch Lebenshilfe, ist zu Wort kommen in Verwirrung, ist Ausdruck finden, sich davon distanzieren. Ich glaube, das war auch ein Bild, das vom Papst zitiert worden ist. Was bedeutet schreiben für Sie?

A.S.
Das ist für mich zum Lebensinhalt geworden, es ist für mich ganz wichtig, dass ich alles Erfahrene, alles noch zu Erlebende, einfach in Worte fassen kann. Dann bekommt es Substanz; irgendwie habe ich dann etwas in den Händen.

T.B.
Und haben Sie als Schriftstellerin dieses Moment der Vorbild- Funktion? Wir haben ja auch gerade davon gesprochen, dass Sie mit Ihren Gedichten auch eine Wirkung beabsichtigen. Bekommen Sie Reaktionen, dass andere Menschen sagen, das ist für mich auch Lebenshilfe, sie haben die Worte gefunden, für eine Situation, in der ich mich auch befunden habe, aber ich bin eben nicht Schriftsteller, aber Sie haben das für mich ausgedrückt. 

A.S.
Ja, eine ganze Menge,  sehr viele Reaktionen, 
vor allen Dingen jetzt auch über das Internet. Menschen reagieren auf die Gedichte, die sie entdeckt haben und reagieren vielfältig und interessant darauf!Ich merke, es ist  eine Begabung, die man hilfreich einsetzen kann auch für andere; dass man sie mitnehmen kann auf dem Weg des Weiterdenkens, eine Sicht der Dinge zu finden, die uns halten und weiter bringen  kann.. Ein Gedicht zu schreiben ist  auch ein Weitergeben und Weitergehen!

T.B.
Das ist ein wunderbarer Übergang: Gedichte hören ist auch ein Weitergehen.

T.B.
Wir werden nun eine Erweiterung von Annemarie Schnitts künstlerischem Werk erleben, eine Erweiterung, die sichdurch eine künstlerische Zusammenarbeit ergeben hat. Die Zusammenarbeit mit der Fotografin Berni Patten. Diese hat zu Bild- und Textkompositionen geführt. Ich möchte Sie zu diesem Projekt befragen. Wie kam es zur Bekanntschaft zwischen Ihnen, der aus China nach Düsseldorf, dann mit Ihrem Mann nach Gladbeck und jetzt an den Rand des Harzes sozusagen lebensgeschichtlich Gewanderten und den halbkölschen, halbiberischen Pattens?

A.S.
Ja, wie kam es dazu? Ich bekam vor ca. 2 Jahren eine Mail von Frau Patten, und sie fragte, ob sie eines meiner Gedichte, die sie im Web entdeckt hatte, einbringen dürfte in ihre Fotografie. Das machte mich natürlich 
sehr neugierig und ich stieß dann auf die Seite von Frau Patten und dann entwickelte sich ein Hin und Her, wir mailten, und es enstand ein Austausch, eine sehr interessante und gute, freundschaftliche Beziehung, die wir jetzt gekrönt haben mit dem wirklichen Kennenlernen nach der bisherigen virtuellen Begegnung Jetzt sind wir uns zum ersten Mal richtig begegnet, gestern.

T.B.
Das heißt, Sie haben 2 Jahre lang nur über das Internet Kontakt gehabt?

A.S.
Ja, nur über den Computer und über Email; aber dieser Kontakt war sehr intensiv und sehr beglückend für mich.

T.B.
Frau Schnitt, das ist zwar völlig Nebensache, aber ich muss das mal sagen. Meine Oma ist 81 Jahre alt, und die kennt das Wort Web gar
nicht, geschweige denn, dass sie sagt, sie mailt da mit irgend jemandem. Ich glaube, da steckt auch eine tolle Geschichte dahinter, wie das gekommen ist, aber ich würde gerne auf etwas anderes hinaus: Das Internet gilt doch sozusagen als die coole, abgebrühte Art der Kommunikation,Sie betreiben also Ihre künstlerische Ader über das Internet?

A.S.
Ja, mein normaler Schreibtisch war immer ziemlich unübersichtlich, unaufgeräumt mit tausend Zetteln und Blöcken und ich ersetzte die Schreibmaschine durch einen Computer und habe jetzt durchs Internet einen geordneten, virtuellen Schreibtisch. Was ich da habe, ist stimmig, das hat Facon; was nicht reinpasst, das kommt wieder raus und die wichtigen Sachen, die spiele ich auf.

T.B.
Sie haben Ihre eigene Hompage?

A.S. Ja.

T.B.
Also ich meine, nur die Hälfte der deutschen Schriftsteller, und ich rede jetzt von namhaft bekannten Schriftstellern, die viel Geld mit ihrem Schreiben verdient haben, besitzen eine eigene Homepage und Sie haben nicht nur eine eigene Homepage, sondern man kann stundenlang auf dieser Homepage lesen. Wie ist die denn bitteschön entstanden?

A.S.Dadurch, dass mein Mann und ich nach Northeim umziehen ,wollten . er als Pensionär, entstand die Frage, was machen jetzt mit der vielen freien Zeit. Er hat mit über 70 Jahren noch gearbeitet als Betriebsarzt . Wir intensivierten  gemeinsam unsere  Computerarbeit Eine junge Kunsthistorikerin riet uns zu Computer-Kurem. Ich war dann fast noch eifriger als  mein Mann. Wir haben es dann beide gelernt. Ein junger  Historiker in Gladbeck kam  fpr rine Weile sonntags  zu uns, er hatte einen kleinen Hund dabei,, der saß unter unserem Schreibtisch und mein Mann und ich rechts und links neben ihm,  uns einführen zu lassen  in die komlizierte Computerwelt .

T.B.
Jeder von Ihnen, die Berni und Peter Patten kennen, kennen ja die wunderschön gestaltete Homepage von Berni Patten. Sie hat ja das Recht, wie man so schön juristisch sagt, die Aussage 
zu verweigern, denn als Foto-Künstlerin macht sie ihre Aussagen ja mit den Fotos. Sie sind aber die Wortkünstlerin, Sie müssen uns also jetzt Rede und Antwort stehen zu dieser Zusammenarbeit. Wie geht das vor sich, sie bekommen ein Foto und schreiben ein Gedicht, oder wie geht das?

A.S.
Nein, es ist eigentlich eher so, dass ich überrascht werde mit Fotos, in denen meine Gedichte stehen,
die Frau Patten entdeckt hat auf meiner Webseite und die sie mit ihren Fotos verbindet. Mich freut das sehr, Frau Patten ist wie ein Gedanken-Zwilling für mich. Dass wir so übereinstimmen mit Bild und Wort, das ist auch einfach für mich etwas sehr Schönes, das ich noch erleben durfte auf meine alten Tage.

T.B.
Ich finde diese Zusammenarbeit absolut gelungen. Es sind oft 
Naturbilder, aber es nicht ein Illustratives dabei, also es ist nicht so, dass wenn es ein Schneegedicht ist, dass dann so automatisch Schnee kommt. Es ist sozusagen der Geist Ihrer Gedichte, der aufgenommen wird in den Fotos, ich finde das sehr beeindruckend, das muss doch für Sie beglückend sein.

A.S.
Ja, das ist es auch, das macht auch unsere Beziehung so gut, dass    wir auf diese Weise                                                                                                  zusammenarbeiten, und immer wieder auch neue Überraschungen erleben. Ich habe in Fehmarn
in meinem kleinen Feriendomizil in meiner ganzen Essecke entlang lauter Patten-Bilder mit Gedichten eingedruckt, immer wieder neue, und immer wieder kann ich austauschen und ich habe gar nicht mehr so viele Rahmen, dass ich alle unterbringen könnte.

Nach der Lesung von noch einigen Gedichten bedankte sich Thomas Böhm bei

Annemarie Schnitt und ihrer Tochter